Unsere Reiseagentur „Umfulana“ überrascht uns immer wieder mit bemerkenswerten Unterkünften – so auch bei unserer Reise nach Sizilien. In Taormina hatten wir das große Glück, mehrere Tage und Nächte in der Casa Cuseni zu verbringen und dabei tief in die Geschichte dieses Gebäudes eintauchen zu können.
Mit der „Casa Cuseni“ erfüllte sich der englische Maler Robert Hawthorn Kitson zu Beginn des 20. Jahrhunderts seinen Traum vom Wohnen auf seiner Lieblingsinsel. Kitson war der Sohn eines erfolgreichen und reichen Industriellen, hatte aber keinerlei Neigung, in das Familienunternehmen einzusteigen, zumal für Homosexuelle wie ihn das Leben in seiner homophoben englischen Heimat schwer erträglich war. In Taormina, das er bei einem Kuraufenthalt kennenlernte, störte sich daran niemand und so wurde das Städtchen schon damals zu eine beliebten Destination für Schwule aus halb Europa.
Kitson beschloss, in Taormina sesshaft zu werden, kaufte ein steiles Hanggrundstück ausserhalb der Stadt und beauftragte lokale Handwerker, seine Baupläne umzusetzen. Für die Ausstattung und Ausschmückung seiner Villa und der Gartenanlagen konnte er befreundete Künstler gewinnen. Herausragend dabei das von Frank Brangwyn gestaltete „geheime Zimmer“, das in großformatigen Wandmalereien die Geschichte seiner „Flucht“ vor der britischen Homophobie erzählt.
Die Casa Cusini wurde in den folgenden Jahrzehnten zum Treffpunkt von Künstlern, Wissenschaftlern und Geistesgrößen aus aller Welt.
Hausherr Kitson fand in Taormina seine Liebe für´s Leben: den sizilianischen Handwerker und späteren Maler Carlo Siligato . Kitsons deutscher Freund Wilhelm von Gloeden, der seit 1878 in Taormina als Fotograf arbeitete, hat Siligato (und andere junge Männer aus Taormina) in zahlreichen Akt-Fotos in antiken Posen festgehalten. Von Gloedens Arbeiten gelten als frühe Zeugnisse homosexueller Fotokunst (und sind bis heute umstritten – eine Ausstellung in Memmingen 2010 löste in der Stadt eine heftige Kontroverse aus).
Kitson und Siligato nahmen sogar ein Kind auf und zogen es gemeinsam groß, allerdings ohne eine Möglichkeit, das rechtlich abzusichern. Als Kitson 1947 starb trat seine Nichte Daphne Phelps das Erbe an und sah fortan ihre Lebensaufgabe darin, die Villa Cuseni zu erhalten. In ihrem Buch „A House in Sicily“ beschreibt sie, wie sie das Haus in ein Refugium für Berühmtheiten aus aller Welt verwandelte. Wir wohnten in der „Greta-Garbo-Suite“ – die Räume, in die sich Hollywood-Schauspielerin des öfteren zurückgezogen hatte. Andere bekannte Besucher waren William Faulkner, Tennessee Williams, Roald Dahl, Betrand Russell und weitere „Promis“.
Als Daphne Phelps 2005 starb interessierten sich sofort alle möglichen Investoren für das Haus, die auf dem Grundstück am liebsten ein großes Hotel errichtet hätten. Glücklicherweise fanden sich kluge Geldgeber, die eine Stiftung ins Leben riefen, um die Casa Cuseni als Museum und Kulturzentrum (mit integriertem „Mini-Hotel“) zu erhalten, das Ganze unter Leitung der Nachkommen von Daphne Phelps Haushälterin und Freundin Concetta. Ein großes Glück für diesen zauberhaften Ort!