„Les Halles“ Leon Lhermitte 1895

Markthallen haben für kulinarisch Interessierte immer eine magische Anziehungskraft. Wo immer wir auch auf Reisen sind – ein Besuch der Märkte und Markthallen ist ein absolutes Muss. Leider haben wir die legendären Pariser Markthallen nicht mehr mit eigenen Augen sehen können. Im wohl schlimmsten Akt von städtebaulichem Vandalismus des letzten Jahrhunderts machten kurzsichtige Lokalpolitiker diesen einzigartigen Gebäudekomplex dem Erdboden gleich, um eine gewaltige U-Bahn-Station und ein unterirdisches Einkaufszentrum zu bauen. Oberirdisch trat an die Stelle der Markthallen eine nicht sonderlich attraktive Grün- bzw. Freifläche. Im Laufe der Zeit fiel den Pariser Stadtoberen dann doch auf, dass hier städtebaulich etwas passieren musste, um das Gelände attraktiver zu gestalten. Seit gut 2 Jahren gibt es wieder eine oberirdische Shopping-Möglichkeit – „La Canopée“.

Der „Bauch von Paris“ ist schon in den 60er Jahren nach Rungis umgezogen.  Die historischen Markthallen aus dem 19. Jahrhundert leben nur noch in Gemälden und Kupferstichen weiter. Und natürlich in dem Buch „Der Bauch von Paris“, in dem Emile Zola den Hallen ein literarisches Denkmal gesetzt hat.

Emile Zola: Der Bauch von Paris(Le Ventre de Paris, Charpentier, Paris, 1873).

„Überrascht blickte er auf die zu beiden Seiten der Straße sich erhebenden riesigen Pavillons, deren übereinander geschichtete Dächer zu wachsen, sich auszudehnen, in der Tiefe einer Wolke von zerstäubenden Lichtern sich zu verlieren schienen. In seinem verschwommenen Denken glaubte er eine Reihe von ungeheuren, regelmäßigen, kristalleichten Palästen vor sich zu haben, an deren Stirnseiten die Lichtstreifen der erleuchteten Fenster in endloser Reihe sich hinziehen. Diese schmalen, gelben Streifen zwischen den feinen Kanten der Pfeiler bildeten Lichtleitern, die zu den dunkelen Linien der ersten Dächer hinaufstiegen, dann die oberen Dächer erkletterten und so das Gerippe ungeheurer Säle beleuchteten, wo im gelben Gaslichte ein Durcheinander von grauen, verschwimmenden Formen schlummerte.“
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„Dieser Pavillon da neben uns ist für die Früchte und Blumen, weiterhin Seefische und geschlachtetes Geflügel, dahinter schwerere Gemüse, Butter, Käse … Es gibt sechs Pavillons auf dieser Seite; auf der anderen Seite gegenüber sind noch vier für Fleisch, Kaldaunen und lebendes Geflügel. Die Hallen sind sehr groß; aber im Winter ist’s verteufelt kalt da drinnen. Man spricht davon, daß noch zwei Pavillons erbaut werden sollen; zu diesem Behufe sollen die Häuser, die die Getreidehalle umgeben, niedergerissen werden.“
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„Eine große Glocke über dem Kopf Florents an der Ecke des Früchtepavillons begann jetzt zu läuten. Die langsamen und regelmäßigen Schläge schienen immer mehr und mehr die auf dem Marktplatze schlummernden Leute zu erwecken. Es kamen noch immer Karren; das Geschrei der Kärrner, das Peitschenknallen, das Rollen der Räder auf dem Pflaster und das Stampfen der Pferde – all der Lärm nahm immer mehr zu. Die Karren kamen nur noch ruckweise vorwärts, hielten sich in der Reihe, dehnten sich weithin außerhalb des Gesichtskreises, verloren sich in einem grauen Halbdunkel, aus dem ein verworrener Lärm hervordrang. Die ganze Pont-Neuf-Straße entlang wurde abgeladen, wobei die Karren mit dem Hinterteil der Gosse zugekehrt, die Pferde eng nebeneinander aufgestellt waren wie auf einem Markte. Florent interessierte sich besonders für einen ungeheuren Kehrichtwagen voll herrlicher Kohlköpfe, den man nur mit vieler Mühe hatte bis zum Fußweg zurückschieben können. Die Ladung überragte einen daneben stehenden großen Laternenpfahl, dessen Lampe ihr volles Licht auf den Haufen breiter Blätter warf, die gleich breiten, abgeschnittenen Stücken grünen, gepreßten Samtes herabhingen. Eine kleine Bäuerin von sechzehn Jahren in Jacke und Haube von blauer Leinwand, die auf dem Karren bis an den Schultern mitten in der Ladung stand, erfaßte einen Kohlkopf nach dem andern und warf sie jemandem zu, der auf dem Fußweg stand und im Dunkel nicht zu sehen war. Von Zeit zu Zeit verschwand die Kleine unter dem riesigen Kohlhaufen, dann tauchte ihr rosiges Näschen mitten in dem dichten Grünkram wieder auf; sie lachte, und die Kohlköpfe nahmen ihren Flug zwischen der Gaslaterne und Florent wieder auf. Dieser zählte sie unwillkürlich und war schier verdrossen, als der Wagen leer war.

Auf dem Abladeplatz dehnten sich jetzt die aufgeschichteten Haufen bis zum Fahrwege aus. Zwischen je zwei Haufen ließen die Krautgärtner einen schmalen Weg, damit man verkehren könne. Der Fußweg war in seiner ganzen Länge mit den dunklen Gemüsehügeln bedeckt. In dem grellen und schwankenden Lichte der Laternen sah man noch nichts als die fleischige Fülle eines Haufens Artischocken, das zarte Grün der Salate, die Korallenfarbe der roten Rüben, die Elfenbeinfarbe der weißen Rüben und diese Blitze voll satter Farben glitten mit dem Lichte der Laternen die Haufen entlang. Auf dem Fußweg wurde es lebendig; eine große Menschenmenge war erwacht und bewegte sich unter lebhaften Gesprächen und Zurufen zwischen den Warenhaufen. Eine starke Stimme rief in der Ferne: »He, die Salate heran!« Man hatte das Gittertor des Pavillons für schwere Gemüse geöffnet. Die Wiederverkäuferinnen dieses Pavillons in weißen Hauben mit einem Halstuch über dem schwarzen Leibchen, die Röcke mit Nadeln aufgesteckt, um sie nicht zu beschmutzen, machten ihren Einkauf für den Tag und füllten damit die zur Erde gestellten großen Butten der Träger. Vom Pavillon bis zum Fahrweg herrschte ein lebhaftes Kommen und Gehen der Butten inmitten der aneinander fahrenden Köpfe, der derben Worte, der lärmenden Stimmen, die sich heiser schrieen, indem sie eine Viertelstunde um einen Sou feilschten. Florent war erstaunt, wie die Gemüsegärtnerinnen mit ihren großen Umhängetüchern und ihrer gebräunten Gesichtsfarbe bei dieser geschwätzigen Knauserei ihre Ruhe bewahrten. Hinter ihm wurde auf den Quadern der Rambuteau- Straße Obst verkauft. Ganze Reihen niedriger Körbe, mit Leinwand oder Stroh bedeckt, standen da und ein starker Geruch von überreifen Pflaumen verbreitete sich.“

https://fr.wikipedia.org/wiki/Halles_de_Paris

https://fr.wikipedia.org/wiki/Forum_des_Halles

 

„Les Halles“ – Der Bauch von Paris

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